Rede des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Kuba bei der 54. Tagung der Vollversammlung der Vereinten Nationen

 

Herr Präsident!

Herr Generalsekretär!

Verehrte Anwesende!

In diesem Saal befinden sich heute Vertreter der reichen und auch der armen Länder wobei letztere in der Mehrheit sind. Es sind Minister und Botschafter von Ländern zugegen, deren Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 25 000 Dollar beträgt, und andere, die Länder vertreten, in denen sich diese Kennziffer auf 300 Dollar beläuft. Die Differenz erhöht sich zudem von Jahr zu Jahr.

In diesem Raum befinden sich Vertreter von Ländern, die allem Anschein nach eine verheißungsvolle Zukunft vor sich haben. Das sind diejenigen, in denen nur 20 Prozent der Weltbevölkerung leben, auf die 86 Prozent des BIP der Welt, 82 Prozent des weltweiten Gesamtexports, 68 Prozent der direkten Auslandsinvestitionen und 74 Prozent der auf unserem Planeten existierenden Telefonlinien entfallen.

Aber was kann man über die Zukunft derer sagen, die wir hier 80 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren und für jene Länder sprechen, die über Jahrhunderte hinweg kolonisiert und ausgeplündert wurden, um den Reichtum der ehemaligen Metropolen zu vergrößern?

Es ist wahr, daß die Zeit vergangen ist, daß die Geschichte so ist, wie sie ist, und nicht so, wie wir sie gerne gehabt hätten. Aber müssen wir uns damit abfinden, daß die Zukunft genauso aussehen wird? Können wir unbesorgt hinnehmen, daß das Vermögen der drei reichsten Menschen der Welt das gesamte BIP der 48 am wenigsten entwickelten Länder mit ihren 600 Millionen Einwohnern übersteigt, deren Vertreter heute in diesem Saal anwesend sind und Gerechtigkeit einfordern?

In diesem Saal befinden sich Repräsentanten von Ländern, in denen für die Mehrheit der Bevölkerung, die kaum anwächst, ein würdiges Lebensniveau garantiert ist und in denen ein Teil der Bevölkerung sogar einem opulenten Leben frönen kann. Das sind diejenigen, die jedes Jahr 12 Milliarden Dollar für Parfümartikel und 17 Milliarden Dollar für Haustiernahrung ausgeben.

Doch die Mehrheit der in diesem Saal repräsentierten Menschen kann nicht optimistisch sein. Es sind die 900 Millionen Hungernden und die 1,3 Milliarden Armen. Meine Brüder, die heute hier anwesenden Vertreter Afrikas, haben keinen Grund, sich sorglos zu fühlen. Sie wissen, daß zur Zeit auf ihrem Kontinent 23 Millionen Aids-Infizierte leben, und sie wissen ebenfalls, daß die Behandlung eines mit dem Aids-Virus Infizierten 12 000 Dollar jährlich kostet und daß ca. 300 Milliarden Dollar benötigt würden, damit die Afrikaner die Behandlung erhalten könnten, in deren Genuß bereits heute die Kranken in den reichen Ländern kommen.

Denken etwa meine Kollegen, die hier 6 Milliarden Erdbewohner vertreten, zu denen jedes Jahr mehr als 80 Millionen hinzukommen, und zwar fast alle in der Dritten Welt, daß eine Situation wie diese im nächsten Jahrhundert fortdauern kann?

Wie werden wir alle verhindern können, daß die Anzahl der Emigranten der armen Länder, die in Verfolgung eines Traumes in die reichen Länder einwandern, weiterhin anwächst, wenn die derzeitige Weltwirtschaftsordnung nicht zuläßt, daß sie in ihren Herkunftsländern die Bedingungen für ein würdiges Leben vorfinden?

Einige wenige meiner Kollegen in diesem Saal vertreten Länder, die im nächsten Jahrhundert keine militärische Bedrohung befürchten müssen. Einige haben sogar Atomwaffen, gehören einem mächtigen Bündnis an oder rüsten jedes Jahr ihre Streitkräfte mit verbesserten und noch moderneren Waffen nach. Es sind diejenigen, die alle anderen Länder schlichtweg als euroatlantische Peripherie der NATO ansehen und werden demzufolge nicht die zerstörerischen massenhaften Bombardierungen durch unsichtbare Angreifer erleiden müssen, und zwar aufgrund des sogenannten neuen strategischen Konzepts des aggressiven Militärbündnisses.

Doch die überwiegende Mehrheit von denen, die wir heute hier sitzen, verfügt nicht über diese Sicherheiten. Mit Besorgnis sehen wir, daß wir heutzutage in einer Welt, die von einer einzigen militärischen und technologischen Macht dominiert wird, weniger Sicherheit haben als in den schweren Jahren des kalten Krieges.

Wenn wir uns eines Tages im Sicherheitsrat zusammensetzen wollten, um über die Bedrohung von einem von uns armen Ländern zu diskutieren, glauben Sie, Exzellenzen, daß wir das erreichen würden? Ich fürchte, daß kürzliche Beispiele das Gegenteil beweisen.

Warum spricht man in diesem Saal nicht von der allgemeinen und vollständigen einschließlich der atomaren Abrüstung? Warum wird beabsichtigt, die Kontrolle nur auf leichte und notwendige Waffen zu beschränken, zum Beispiel im Fall Kubas, das seit 40 Jahren angegriffen und blockiert wird, während über die tödlichen lasergesteuerten Bomben, die uranangereicherten Sprengköpfe und die Streu- oder Graphitbomben, die die Vereinigten Staaten willkürlich bei den Bombardierungen gegen die Zivilbevölkerung im Kosovo einsetzten, nicht ein Wort fällt?

Kann jemand an der Behauptung festhalten, wir vererbten unseren Kindern eine gerechte und sichere Welt, solange wir nicht die ungerechten und ungleichen Bewertungsgrundlagen verändern, die heute auf die für unsere gemeinsame Sicherheit so essentiellen Fragen Anwendung finden?

Müssen wir obendrein akzeptieren, daß die Regeln des freien Marktes und des sakrosankten Gesetzes von Angebot und Nachfrage innerhalb des brutalen Handels des Todes aufgezwungen werden? Was hindert die internationale Staatengemeinschaft daran zu versuchen, einen Großteil der 780 Milliarden Dollar, die heute für die Militärbudgets verwendet werden, rationell und koordiniert zur Förderung der Entwicklung in den Ländern der Dritten Welt einzusetzen?

Das ist der Grund, weshalb wir mit so viel Leidenschaft die Achtung vor den Prinzipien des Völkerrechts verteidigen, die über mehr als ein halbes Jahrhundert hinweg für die Beziehungen zwischen allen Ländern leitgebend waren. Was bliebe für unsere Verteidigung zurück, wenn wir armen Länder in der Zukunft uns nicht mehr auf Prinzipien berufen könnten wie das Prinzip der Achtung der Souveränität und Selbstbestimmung, das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder? Wie könnten wir die internationalen Staatengemeinschaft um das Anprangern der Bedrohung eines unserer Länder ersuchen, wenn diese heute systematische und flagrant verletzten Prinzipien aus der UN-Charta gestrichen würden?

In einer unipolaren Welt bedeuten die Versuche des Aufzwingens von Begriffen wie Begrenzung der Souveränität und humanitäre Einmischung keinesfalls einen Beitrag zur internationalen Sicherheit und bedrohen die Länder der Dritten Welt, die weder über mächtige Armeen noch über Atomwaffen verfügen. Solche Versuche müssen deshalb aufhören. Sie verletzen Wort und Sinn der UN-Charta.

Auf der anderen Seite erachten wir die Verteidigung der Vereinten Nationen heute dringlicher denn je. Wir verteidigen sowohl die Notwendigkeit ihrer Existenz als auch die Notwendigkeit ihrer Demokratisierung. Die vor uns stehende Herausforderung ist die der Reform der Vereinten Nationen, um den Interessen aller Nationen gleichermaßen zu dienen.

Wir verteidigen sowohl die Notwendigkeit der Existenz des Sicherheitsrates als auch die Notwendigkeit, ihn breiter, demokratischer und transparenter zu gestalten. Warum nicht die Anzahl der ständigen Mitglieder erweitern? Warum könnten ihm nicht wenigstens zwei bis drei neue ständige Mitglieder aus Lateinamerika, Afrika und Asien beitreten, wenn es heute doch dreimal mehr Länder gibt als zum Zeitpunkt der Gründung der Vereinten Nationen in San Francisco im Jahr 1945, und wenn die zur Dritten Welt gehörende überwiegende Mehrheit der Länder, nicht einen einzigen ständigen Vertreter in diesem Gremium hat?

Trotzdem verteidigen wir nicht das Veto. Wir glauben, daß kein Land ein solches Veto haben sollte. Doch wenn es nicht möglich ist, es abzuschaffen, dann sollten wir wenigstens versuchen, daß dieses Vorrecht mehr Länder verteilt wird und daß wir beschließen, daß die neuen ständigen Mitglieder ebenfalls über das Vetorecht verfügen. Wenn im Augenblick das Vetorecht nicht abgeschafft werden kann, warum beschränkt man es dann nicht auf jene Maßnahmen, die kraft des Kapitels VII der Charta vorgeschlagen werden?

Ein einziges Land kann heute den Willen aller anderen Mitglieder der Vereinten Nationen annullieren. Und ein Land hat das Vetorecht unzählige Male ohne Grenzen ausgeübt: Die Vereinigten Staaten. Das ist nicht tragbar.

Im Rahmen der Vereinten Nationen muß man der Versuchung entgegentreten, uns ein Einheitsdenken aufzuzwingen, uns glauben zu machen, daß es unserem Denken entspricht und daß es entweder unseren sehr vielfältigen Kulturen und Modellen überlegen oder fortschrittlicher und moderner als unsere vielfältigen Identitäten ist. Um zu überleben, müssen wir uns dagegen wehren, wie eine bloße euroatlantische Peripherie behandelt zu werden, sowie dagegen, daß uns als Folge des Kolonialismus, der Unterentwicklung, des Konsumstrebens der reichen Länder und sogar als Konsequenz der kürzlich und zur Zeit von diesen Ländern eingeschlagenen Politikansätze entstandene Probleme als globale Bedrohungen angesehen werden.

In diesem Saal sind die Vertreter der G-7-Staaten zugegen, die 685 Millionen Einwohner haben und deren Volkswirtschaften ein Bruttoinlandsprodukt von 20 Billionen Dollar vereinigen. Ebenfalls vertreten sind wir anderen 181 Länder, die wir mehr als 5 Milliarden Einwohner und ein Bruttoinlandsprodukt haben , das spärliche 10 Billionen Dollar erreicht .

Sind wir nun etwa alle gleich? Gemäß der UN-Charta, ja, aber im wirklichen Leben, nein.

Während die reichen Länder über die multinationalen Unternehmen verfügen, die mehr als ein Drittel der weltweiten Exporte kontrollieren, tragen wir armen Länder die erstickende Last einer Auslandsverschuldung, die sich auf 2 Billionen Dollar beläuft und nicht aufhört, weiter anzusteigen, während die Abzahlung des Schuldenservice fast 25 Prozent unserer Exporterlöse verschlingt. Wie kann man sich unter diesen Umständen unsere Entwicklung vorstellen?

Während in diesem Saal eindringlich von der Notwendigkeit einer neuen weltweiten Finanzarchitektur gesprochen wird, bricht über unsere Länder die Geißel eines Systems herein, das erlaubt, daß täglich Spekulationsoperationen im Wert von 3 Billionen Dollar getätigt werden. Dieses Gebäude ist nicht zu reparieren. Es handelt sich nicht darum, es zu reformieren, sondern darum, es abzureißen und neu zu bauen.

Kann jemand die Logik dieser Scheinwirtschaft erklären, die nichts produziert und auf der Grundlage des Ein- und Verkaufs von dem aufrechterhält, was nicht existiert? Müssen oder müssen wir nicht dieses chaotische Finanzsystem zerstören und auf seinen Ruinen ein System schaffen, das der Produktion den Vorrang gibt, die Unterschiede berücksichtigt und damit aufhört, unsere mißhandelten Wirtschaften zu zwingen, ständig in der unmöglichen Illusion eines Aufstockens der finanziellen Rücklagen zu leben? Diese Rücklagen verflüchtigen sich früher oder später inmitten des verzweifelten und ungleichen Kampfes zur Verteidigung unserer Währungen gegenüber der starken und äußerst bevorteilten Währung der anachronistischen Bretton Woods-Vereinbarung, dem sakrosankten Dollar.

Wenn man einmal die Geschichte dieser Jahre schreibt, wird es sehr schwierig zu erklären sein, wie ein einzelnes Land so viele Privilegien und eine so absolute Macht anhäufen konnte. Was werden die Wirtschaftswissenschaftler des nächsten Jahrhunderts sagen, wenn sie feststellen, daß die Vereinigten Staaten mit einem laufenden Defizit leben konnten, das sich bereits um die 300 Milliarden Dollar bewegt, ohne daß der IWF ihnen auch nur ein einziges der harten Strukturanpassungsprogramme, die die Länder der Dritten Welt verarmen lassen, aufzwingen konnte? Wer wird erklären, daß die US-Amerikaner dank des Privilegs, über die Reservewährung der Welt zu verfügen, diejenigen Bewohner unseres Planeten sind, die am wenigsten sparen und am meisten ausgeben? Wird ihnen jemand erzählen, daß sie im Jahr 1998 Autos im Wert von 124 Milliarden Dollar importierten oder 8 Milliarden Dollar für Kosmetikartikel ausgaben, und zwar weitestgehend dank der Tatsache, daß sie 17,8 Prozent der Stimmen beim IWF kontrollieren, was ihnen ein virtuelles Vetorecht verleiht? Und wie soll man beispielsweise den Bürgern von Tansania erklären, daß sie im gleichen Jahr 11998 für den Schuldenservice neunmal mehr als für die Primärbetreuung im Gesundheitswesen und viermal mehr als für die Grundschulbildung aufwenden mußten?

Das gegenwärtige Weltwirtschaftssystem ist nicht nur zutiefst ungerecht, sondern auch absolut untragbar. Man kann kein Wirtschaftssystem aufrechterhalten, das die Umwelt zerstört. Die Verfügbarkeit von Trinkwasser beträgt heute nur 60 Prozent des Standes von 1970, und wir sind heute 2,3 Milliarden Menschen mehr auf der Welt als damals. Das gleiche geschieht mit den Wäldern. Kann irgendjemand in diesem Saal dafür eintreten, daß ein solcher Zerstörungsrythmus unendlich andauert?

Man kann kein Wirtschaftssystem aufrechterhalten, das auf den irrationalen Konsumstandards der reichen Länder aufbaut, die danach mittels der Massenmedien in unsere Länder exportiert werden. Warum will man nicht akzeptieren, daß mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen, mit dem erreichten Niveau der technologischen Entwicklung und mittels einer vernünftigen und solidarischen Ausnutzung dieses ganzen Potentials ein würdiges Leben für alle Bewohner unseres Planeten möglich ist?

Wie ist zu erklären, daß die OECD-Länder, an deren Vertreter ich mich in diesem Moment mit allem Respekt wende, nur noch weniger als ein Drittel der 1970 als Minimalziel ausgegebenen 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die staatliche Entwicklungshilfe aufwenden? Als ich ein Mitglied unserer Delegation, einen sich zum christlichen Glauben bekennenden Abgeordneten der Nationalversammlung, fragte, was die Bibel über eine so ungerechte Wirtschaftsordnung sagen würde, antwortete er ohne Zögern mit dem wortwörtlichen Zitat eines Propheten seiner Heiligen Schrift: "Jesaja, Kapitel 10, Verse 1, 2 und 3: „Weh den Schriftgelehrten die ungerechte Gesetze machen und die unrechtes Urteil schreiben, auf daß sie die Sache der Armen beugen und Gewalt üben am Recht der Elenden unter meinem Volk, daß die Witwen ihr Raub und die Waisen ihre Beute sein müssen!. Was wollt ihr tun am Tage der Heimsuchung und des Unglücks, das von fern kommt? Zu wem wollt ihr fliehen um Hilfe? Und wo wollt ihr eure Ehre lassen?"

Ich weiß, daß viele in diesem Saal diese Besorgnis teilen und ich weiß auch, daß wir uns fast alle die gleiche Frage stellen: Wird die Welthandelsorganisation der Gefahr entgehen, in ein Lehnsgut der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten verwandelt zu werden, wie dies heute schon der Internationalen Währungsfonds und die Weltbank sind?

Werden wir wirklich erreichen, daß die WHO zu dem demokratischen und transparenten Forum wird, das wir benötigen, oder werden sich die mächtigen Interessen der Minderheit durchsetzen, und zwar zu Lasten der schweigenden Mehrheit, der es heutzutage aufgrund ihrer Spaltung, Verwirrung und geringen Wachsamkeit nicht gelingt, die Gefahren einer kalten und dogmatischen Liberalisierung des Welthandels zu begreifen? Werden sie sich daran erinnern, daß die allermeisten Länder der Dritten Welt, die vom Export eines landwirtschaftlichen Produkts oder einiger Gewürzwaren abhängig sind, aus dem Welthandel weggefegt und vom grausamen Wettbewerb einiger multinationaler Unternehmen zermalmt werden? Sollten oder sollten wir nicht diese Realitäten berücksichtigen und die Notwendigkeit akzeptieren, daß die Interessen der unterentwickelten Länder gewahrt bleiben, zumindest um ihr Überleben zu gewährleisten?

Wie werden wir armen Länder konkurrieren können, wenn unsere Fachkräfte auf der Suche nach besseren Möglichkeiten in die reichen Nationen abwandern und wenn sie uns nicht einmal erlauben, unsere Sportler zu behalten, so daß wir mit Schmerz sehen, wie sie unter der Fahne eines anderen Landes Wettkämpfe bestreiten?

Wie werden wir armen Nationen wirtschaftlich konkurrieren können, wenn die zehn stärksten Industriestaaten 95 Prozent der in den letzten 20 Jahren ausgestellten Patente kontrollieren und wenn das Urheberrecht nicht nur weit davon entfernt ist, liberalisiert zu werden, sondern vielmehr immer mehr geschützt wird?

Es stellt sich fast als ein Scherz heraus, uns armen Ländern von Internethandel zu erzählen, wenn man weiß, daß 91 Prozent der Internet-Nutzer in OECD-Ländern leben. Kann sich die momentane Situation eines Tages ändern, wenn es in den Vereinigten Staaten, Schweden und der Schweiz mehr als 600 Telefonlinien pro eintausend Einwohner gibt, während in Kambodscha, dem Tschad und in Afghanistan ein Telefon auf eintausend Einwohner kommt?

Herr Präsident, Exzellenzen !

Inmitten dieses für die überwiegende Mehrheit der Länder dieser Welt dramatischen Panoramas sehe ich mich gezwungen, von meinem Land zu sprechen. Wenn es ein beredtes Beispiel für das gibt, was in den Beziehungen zwischen Mächtigen und kleinen Staaten nicht geschehen darf, dann ist es in all dem zu finden, was mit Kuba geschieht.

Über mehr als vierzig Jahre hinweg ist mein Volk einer brutalen Politik der Feindschaft und der Aggressionen jeder Art von Seiten der Vereinigten Staaten ausgesetzt gewesen, die gemäß den Aussagen der hochrangigsten Persönlichkeiten dieser Supermacht darauf zielte, das politische und wirtschaftliche System zu zerstören, welches das kubanische Volk aus freiem Willen aufgebaut hat, und die neokoloniale Herrschaft über Kuba wieder zu errichten, die dieses Imperium am 1. Januar 1959 mit dem Sieg der kubanischen Revolution endgültig verloren hatte. Wie durch die Tatsachen, die öffentlichen Erklärungen von US-amerikanischen Sprechern und durch bereits in den Vereinigten Staaten freigegebenen Geheimdokumente bewiesen wurde, hat sich diese aggressive Politik Mitteln bedient, die von politischen, diplomatischen und propagandistischen Aktionen über Spionage- und Subversionsaktivitäten und den Anreiz zu Fahnenflucht und illegaler Emigration bis zur Durchführung von terroristischen Aktionen, Sabotageakten, biologischer Kriegsführung, der Organisierung und Unterstützung von bewaffneten Banden, dem Eindringen in den Luftraum und die Hoheitsgewässer unseres Staatsgebietes, der Organisierung von mehr als 600 Plänen zur Ermordung des Revolutionsführers unserer Revolution, der militärischen Invasion durch eine Söldnerarmee, der im Oktober 1962 aufgekommenen schwerwiegendsten Bedrohung durch einen Nuklearkrieg, die die Welt jemals gekannt hat, und schließlich der brutalen Handels- und Finanzblockade und dem bereits vierzig Jahre andauernden grausamen Wirtschaftskrieg gegen mein Vaterland, reichen.

Ohne den wirtschaftlichen Aspekt der Aggression gegen Kuba einzubeziehen und unter alleiniger Konzentration auf die von der Regierung der Vereinigten Staaten durchgeführten physischen Aggressionen und kriegerischen Aktionen strengten die gesellschaftlichen Organisationen Kubas im Namen des gesamten kubanischen Volkes kürzlich eine zivilrechtliche Klage an, bei der sie von der US-Regierung Reparationszahlungen und Schadenersatzleistung für die von 3 478 zu Tode gekommenen kubanischen Bürger und 2 099 Überlebenden forderten, die als Folge der verdeckten Pläne und des schmutzigen Krieges der Vereinigten Staaten zu Invaliden wurden. In der Klageschrift wird gefordert, die US-Regierung in ihrer Eigenschaft als Verantwortliche für diese Personenschäden zur Zahlung einer Gesamtsumme von 181,1 Milliarden Dollar als Reparation und Entschädigung zu verurteilen, und zwar als geringstmöglicher und symbolischer Ausgleich für etwas, das ohne Zweifel unersetzbar und unbewertbar ist, nämlich das Leben und die körperliche Unversehrtheit von mehr als 5 500 Kubanern, die zu Opfern der obsessiven Antikubapolitik der USA geworden sind.

In der offenen und Öffentlichen Verhandlung über diese Klage, die per Fernsehen für die ganze Nation übertragen wurde, wurde die direkte Verantwortung der Regierung der Vereinigten Staaten für diese fortgesetzte Aggression eindeutig bewiesen; es wurden also Beweise erbracht , daß der nicht erklärte Krieg gegen Kuba eine Politik des Staates darstellte, die von nicht weniger als neun aufeinanderfolgenden US-Administrationen während der letzten 40 Jahre betrieben wurde.

Was können diejenigen Führungspersönlichkeiten, Beamten und Agenten der US-Regierung, auf deren Schultern die Planung und Durchführung dieses schmutzigen Krieges gegen Kuba und die moralische Schuld der Verantwortung für den Tod von Tausenden von Kubanern lastet, ihren Enkeln erzählen?

Können wir zulassen, daß im nächsten Jahrhundert ein weltweites System weiterbesteht, aufgrund dessen monströse Aktionen dieser Art, die auf systematische und flagrante Weise von einer Großmacht begangen werden, absolut straflos bleiben?

Die grausame Wirtschaftsblockade, die bis ins kleinste Detail alle nur möglichen Formen der Handels- und Finanzbeziehungen unseres Landes mit dem Ausland umfaßt, verdient besondere Aufmerksamkeit.

Diese Blockade dauert bereits 40 Jahre an. Sie wurde bereits vor dem eigentlichen Sieg der Revolution konzipiert. Ein 1991 freigegebenes US-amerikanisches Geheimdokument enthüllt, daß am 23. Dezember 1958 während einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates unter Anwesenheit des Präsidenten Dwight Eisenhower, auf der die Situation unseres Landes diskutiert wurde, der damalige Direktor der CIA, Allen Dulles, ganz entschieden äußerte: "Wir müssen den Sieg Castros verhindern."

Drei Tage später gab Präsident Eisenhower am 26. Dezember der CIA die Anweisung, "er wünsche nicht, daß die verdeckten Operationen [gegen Kuba] vor den Nationalen Sicherheitsrat kommen". Alles sollte streng geheim ablaufen.

Der sechs Tage danach erreichte zündende Triumphzug der revolutionären Truppen ließ keine Zeit mehr, "den Sieg zu verhindern".

Der erste US-amerikanische Schlag gegen die Volkswirtschaft sollte noch an diesem 1. Januar 1959 versetzt werden, als neben den Verantwortlichen der schlimmsten Massaker und Überschreitungen gegen das Volk auch jene in dieses Land flohen, die den Staatsschatz geplündert hatten.

Fünf Wochen nach dem revolutionären Sieg enthüllte der Volkswirtschaftler Felipe Pazos - ein in Regierungskreisen der Vereinigten Staaten gut bekannter und geachteter Experte, der die Leitung des Banco Nacional übernommen hatte - in einem Bericht am 6. Februar, daß das frühere Regime 424 Millionen Dollar der in Gold und Dollar den kubanischen Peso deckenden Mittel veruntreut oder sich angeeignet hatte.

Die New York Times bestätigte den Wahrheitsgehalt des genannten Berichtes über die Unterschlagung der die einzige Rücklage des Landes bildenden Mittel.

Das Produkt dieses ungeheuren Raubes gelangte in die Banken der Vereinigten Staaten. Nicht ein Centavo wurde Kuba zurückgebracht.

Der Banco Nacional beantragte unmittelbar darauf bescheidene Mengen an Mitteln, um der kritischen Situation zu begegnen. Sie wurden ihm verweigert.

Das am 17. Mai 1959 verkündete Gesetz der Agrarreform, dessen Ziel es war, die große Mehrheit unseres unterernährten Volkes mit Nahrungsmitteln zu versorgen und für einen großen Teil der beschäftigungslosen Bevölkerung einen direkten oder indirekten Arbeitsplatz zu schaffen, und zwar zu einem Zeitpunkt, als noch niemand das Wort 'Sozialismus' in den Mund genommen hatte, führte zu einer extremen Reaktion der Vereinigten Staaten, deren Unternehmen einen großen Teil der besten und fruchtbarsten Landflächen besaßen. Trotz des in dem Gesetz selbst festgelegten Willens Kubas, die Besitzer mit zeitlich verschobenen, vernünftigen und realisierbaren Zahlungen zu entschädigen, forderte die US-Regierung eine sofortige, vollständige und in bar zu leistende Entschädigung. Für diesen Zweck stand jedoch kein einziger Centavo aus dem Staatshaushalt zur Verfügung.

Einen Monat danach wurde am 24. Juni auf einer Beratung im Außenministerium zu den Aktionsvarianten gegen Kuba das Kriterium laut, "die Regierung der Vereinigten Staaten habe umgehend eine sehr nachdrückliche Haltung gegen dieses Gesetz und seine Durchführungsbestimmungen einzunehmen" und "das beste Mittel, das nötige Ergebnis zu erreichen, sei der wirtschaftliche Druck". Es wurde das Aussetzen der kubanischen Zuckerquote auf dem US-amerikanischen Markt erwogen, wodurch, wie die Geheimdokumente wörtlich ausdrückten, "in der Zuckerindustrie ein steiler und unmittelbarer Rückgang eintrete, was wiederum generell eine höhere Arbeitslosenquote verursache. Viele Menschen blieben arbeitslos und begännen zu hungern". Während dieser Beratung bezeichnete Außenminister Herter die Vorschläge ausdrücklich als "Maßnahmen des Wirtschaftskrieges".

Am 6. April 1960 erklärte L.D. Mallory, ein wichtiger Beamter des Außenministeriums, daß das voraussichtlich einzige Mittel zur Unterbingung der inneren Unterstützung in der Enttäuschung und der Entmutigung als Folge von Unzufriedenheit und den ökonomischen Schwierigkeiten zu suchen ist. (...) Es ist schnellstens jedes zur Schwächung des Wirtschaffsleben Kubas nur vorstellbare Mittel einzusetzen. (...) Eine Aktionslinie stärkster Wirkung ist die Verweigerung von Geld und Lieferungen für Kuba, damit sinken die Real- und Geldlöhne, um Hunger, Verzweiflung und den Sturz der Regierung zu bewirken".

Am 6. Juli 1960 wird die geplante Maßnahme ergriffen: Die kubanische Zuckerquote wurde ausgesetzt. Niemals mehr haben die Vereinigten Staaten Kuba auch nur ein einziges Pfund Zucker abgekauft. Ein Markt, der seit mehr als hundert Jahren zwischen den Vereinigten Staaten und Kuba bestand, sicherer Lieferant des lebenswichtigen Nahrungsmittels in dieses Land und für dessen Verbündete während der zwei Weltkriege in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, aus denen jene Nation als der reichste und mächtigste Staat der Welt hervorging; dieser Markt war urplötzlich nicht mehr da. Das war ein erbarmungsloser Schlag gegen die Hauptquelle für Arbeit und Reichtum des Landes und beraubte es der nötigen Gelder für den Erwerb von Nahrungsmitteln, Medikamenten, Brenn- und Rohstoffen, die für das materielle Leben unseres Volkes erforderlich waren.

Von nun an häuften sich die sukzessiven Maßnahmen wirtschaftlichen Charakters gegen das kubanische Volk, bis es zu einer totalen und absoluten Blockade kam, die soweit ging, daß die Ausfuhr einer in den Vereinigten Staaten produzierten Aspirintablette in unser Land genauso verboten war wie auch der Export einer ganz einfachen in Kuba gezüchteten Blume in jenes Land.

Die Verschärfung dieser absoluten Blockade unter der offiziellen zynischen verschönerten und scheinbar harmlosen Bezeichnung "Embargo" hat im Verlaufe von vierzig Jahren nie nachgelassen.

In der kritischsten und schwersten Zeit, als die UdSSR und das sozialistische Lager nicht mehr existierten, die wesentlichen Absatz- und Bezugsquellen, die dem Land geblieben waren, um dem grausamen Wirtschaftskrieg gegen die nur 90 Meilen von den Küsten der Vereinigten Staaten entfernte Insel zu trotzen, in jener Zeit also beschlossen sie, noch schonungsloser gegen Kuba vorzugehen: mit grobem und widerlichem Opportunismus wurde die Blockade auf ein Maximum verschärft.

Das sogenannte Torricelli-Gesetz von 1992 bestimmte das Verbot des Handels mit Kuba für die US-amerikanischen Tochterunternehmen mit Sitz in Drittstaaten, neben anderen Restriktionsmaßnahmen, die den Seetransport von Nahrungsgütern und anderen Waren zwischen Kuba und der übrigen Welt behinderten. Im Endergebnis wurden diese Handelsgeschäfte eingestellt; das bedeutete bei Nahrungsmitteln und Medikamenten eine Reduzierung der Importe aus diesen Ländern von mehr als 700 Millionen Dollar.

Ihre schändlichste Stufe erreicht diese völkermörderische Politik mit dem Helms-Burton-Gesetz, in dem sämtliche früheren administrativen Verbote vereint sind und das die Blockade intensiviert und sie für alle Ewigkeit errichtet.

Um die gegen das kubanische Volk verhängte Blockade noch weiter zu verschärfen, wurden zahlreiche Amendments zu wichtigen Gesetzen - die von einer derartigen Dringlichkeit und so umfassendem Inhalt waren, daß viele US-amerikanische Kongreßabgeordnete nicht einmal die nötige Zeit hatten sie zu lesen - mit erhobener Hand im Kongreß der Vereinigten Staaten verabschiedet. Die mit der Ultrarechten verbundene kubanisch-amerikanische Terroristenmafia erreichte, daß die Blockade nicht mehr alleinige Befugnis der Exekutive war und in rigorosen und unflexiblen Gesetzen ihren Niederschlag fand. Auf diese Weise erlangte der Völkermord institutionellen Charakter.

Der US-amerikanische Weltgesundheitsverband (AAWH) schlußfolgerte 1997 nach der Analyse der in diesem Bereich eingetretenen Folgen, daß "die grundlegendsten internationalen Abkommen und Konventionen verletzt werden, die Richtschnur für die Menschenrechte sind, einschließlich der Charta der Vereinten Nationen, der Satzung der Organisation der Amerikanischen Staaten und der Artikel der Genfer Konvention, die die Behandlung von Zivilpersonen in Kriegszeiten regeln. [...] Die Genfer Konventionen mit zirka 165 Mitgliedsländern, die Vereinigten Staaten eingeschlossen, fordern freies Geleit für sämtliche medizinischen und Nahrungsmittellieferungen zur zivilen Nutzung in Kriegszeiten. Die Vereinigten Staaten und Kuba stehen nicht im Krieg. Mehr noch, ihre Regierungen unterhalten diplomatische Vertretungen in Havanna und Washington. Jedoch hat der AAWH festgestellt, daß die Restriktionen des Embargos eine wissentliche Blockierung des Zugangs der kubanischen Bevölkerung zu Nahrungsmitteln und Medikamenten - in Friedenszeiten - bedeuten."

Im gleichen Bericht bringt der US-amerikanische Weltgesundheitsverband seine Meinung zum Ausdruck, wonach "das von den Vereinigten Staaten gegen Kuba verhängte Embargo den Gesundheits- und Ernährungszustand einer großen Anzahl kubanischer Bürger dramatisch geschädigt hat. [...] Unsere Schlußfolgerung ist, daß das Embargo der Vereinigten Staaten das Leid in Kuba noch viel schwerer gemacht und sogar Todesfälle verursacht hat".

Sieben Jahre nacheinander hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen bei jeder Gelegenheit eine Resolution zu der Notwendigkeit verabschiedet, der dem kubanischen Volk von der Regierung der Vereinigten Staaten aufgezwungenen Wirtschaftsblockade ein Ende zu setzen. Die Verurteilung dieser völkermörderischen Politik wird Jahr um Jahr spürbar stärker.

Zwischen 1992 und 1998 errang die Resolution Kubas 59, 88, 101, 117, 137, 143 und 157 Ja-Stimmen. Diejenige der Vereinigten Staaten errang nur 3, 4, 2, 3, 3, 3 und zwei Stimmen, einschließlich ihrer eigenen.

Angesichts der absoluten Geringschätzung, die die Vereinigten Staaten gegenüber den Resolutionen der UN-Vollversammlung zeigen, hat sich das kubanische Volk - unabhängig davon, daß die Schlacht im Sitz dieser Vollversammlung weitergeht – für ihm zustehende Rechtsverfahren entschieden, um die entsprechenden Sanktionen für die Verantwortlichen dieser völkermörderischen Handlungen einzufordern.

Das Anliegen Kubas gründet sich auf soliden und unanfechtbaren Begründungen.

Die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes, die am 9. Dezember 1948 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen angenommen, von der Regierung der Vereinigten Staaten am 11. Dezember 1948 und von Kuba am 28. Dezember 1949 unterzeichnet wurde und am 12. Januar 1951 in Kraft getreten ist, zu der 124 Staaten gehören, die unterzeichnet und ratifiziert haben, bestimmt in ihrem Artikel II wortwörtlich folgendes:

„In dieser Konvention wird als Völkermord jede der im folgenden genannten Handlungen verstanden, die in der Absicht der gänzlichen oder teilweisen Vernichtung einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe begangen werden."

Unmittelbar danach zählt Absatz c) zu diesen Handlungen „das absichtliche Unterwerfen einer Gruppe unter Existenzbedingungen, die ihre gänzliche oder teilweise physische Vernichtung verursachen müssen".

Der Artikel III bestimmt die Bestrafung u.a. von:

a) Völkermord

d) versuchtem Völkermord

e) Beihilfe zum Völkermord.

Im Artikel IV heißt es klar und deutlich und wortwörtlich:

"Wer Völkermord oder einen anderen der im Artikel III genannten Akte begangen hat, wird bestraft, seien es Regierende, Beamte oder Einzelpersonen."

Das Abkommen über den gebührenden Schutz der Zivilpersonen in Kriegszeiten, das am 12. August 1949 von den Regierungen der Vereinigten Staaten und Kubas unterzeichnet und ratifiziert wurde, das am 21. Oktober 1950 in Kraft trat und das heute 188 Mitgliedsländer zählt, bestimmt in seinem Artikel 23 folgendes: "Jede einzelne der Hohen Vertragschließenden Parteien sichert sämtlichen Sendungen von Medikamenten und sanitärem Material sowie Gegenständen zur Religionsausübung, die einzig und allein für die Zivilbevölkerung jeder anderen - wenngleich feindlichen - vertragschließenden Partei bestimmt sind, freies Geleit. Freies Geleit wird ebenfalls für Sendungen von unerläßlichen Lebensmitteln, Kleidung und Stärkungsmitteln für Kinder unter 15 Jahren sowie für Schwangere und Wöchnerinnen gegeben."

Im Zusatzprotokoll I dieses Abkommens wird im Artikel 54 ausdrücklich, präzise und kategorisch der "Schutz der für das Überleben der Zivilbevölkerung unbedingt erforderlichen Güter" festgelegt:

1. Es ist verboten, als Kriegsmethode Zivilpersonen Hunger leiden zu lassen.

2. Es ist verboten, die für das Überleben der Zivilbevölkerung unerläßlichen Güter wie Nahrungsmittel und die sie erzeugenden landwirtschaftlichen Bereiche, die Ernten, das Vieh, die Trinkwasseranlagen und -reserven und die Bewässerungsanlagen anzugreifen, zu zerstören, zu entwenden oder unbrauchbar zu machen in der wissentlichen Absicht, die Bevölkerung oder die Gegenpartei, mit welchem Vorsatz auch immer, sei es, um die Zivilpersonen Hunger leiden zu lassen, sie zu vertreiben oder in jedem anderen Bestreben, um diese Güter aufgrund ihres Wertes als Mittel zur Gewährleistung des Überlebens zu bringen.

Der Artikel VI der Konvention legt ohne den geringsten Zweifel aufkommen zu lassen fest: "Die des Völkermordes oder jeder anderen im Artikel III genannten Handlung angeklagten Personen werden von dem zuständigen Gerichtshof des Staates gerichtet, in dessen Territorium die Handlung begangen wurde."

Der Absatz e) des genannten Artikels bestimmt mit ebensolcher Deutlichkeit, daß auch die Beihelfer zum Völkermord bestraft werden.

Daraus folgend erklärte die Nationalversammlung des Poder Popular der Republik Kuba am vergangenen 13. September:

1. Die von der Regierung der Vereinigten Staaten Kuba auferlegte Wirtschaftsblockade ist ein internationales Verbrechen des Völkermordes gemäß den Festlegungen der Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Völkermordes, die am 9. Dezember 1948 von der UN-Vollversammlung angenommen wurde.

2. Auf der Basis der dargelegten Argumente und der genannten Deklaration proklamiert die Nationalversammlung das Recht Kubas auf Forderung der Bestrafung derartiger Tatbestände.

3. Angesichts des schweren, systematischen und vierzig Jahre fortgesetzten Völkermordes gegen das kubanische Volk kommt es entsprechend den internationalen Regeln, Prinzipien, Abkommen und Gesetzen den kubanischen Gerichten zu, die Schuldigen in Anwesenheit oder Abwesenheit zu richten und zu sanktionieren.

4. Für Akte des Völkermordes und andere Kriegsverbrechen kommt keine Verjährung zur Anwendung.

5. Den Schuldigen können Sanktionen bis zu lebenslänglichem Freiheitsentzug ausgesprochen werden.

6. Die strafrechtliche Haftung befreit den Aggressorstaat nicht von der materiellen Entschädigung für den verursachten menschlichen und wirtschaftlichen Schaden.

7. Die internationale Gemeinschaft wird zur Unterstützung dieses Kampfes aufgerufen, da er die elementarsten Prinzipien von Gerechtigkeit, dem Recht auf Leben, Frieden und Freiheit aller Völker verteidigt.

Hier in diesem Saal sind als Mitglieder der kubanischen Delegation bei der 54. Vollversammlung der Vereinten Nationen anwesend: drei junge Menschen als Vertreter der Universitätsstudenten, der Mittelstufe und der kubanischen Jugendlichen und Kinder; sie erscheinen im Namen der gesellschaftlichen Organisationen, die vor den zuständigen Gerichten die Klage gegen die Regierung der Vereinigten Staaten auf Reparationszahlungen und Schadenersatzleistungen für Tausende körperlich beeinträchtigter Personen anstrengten und außerdem die Gesetzesinitiative ergriffen und der Nationalversammlung des Poder Popular die erwähnte Proklamation vorschlugen; drei herausragende Persönlichkeiten der kubanischen Medizin, Abgeordnete der Nationalversammlung, die vor selbiger die dramatischen Schädigungen vortrugen, die durch die Medikamentenblockade unseres Landes verursacht wurden; und drei Vetreter der christlichen Kriche, die ausgehend von tiefen ethischen, religiösen und humanen Überzeugungen den Aufruf unterstützten, der die gerichtliche Verfolgung und Bestrafung der Verantwortlichen verlangt.

Sie sind bereit, hier in den Vereinigten Staaten auf alle Fragen zu antworten, die Sie ihnen stellen möchten, und Gespräche mit der Presse, akademischen Institutionen, nichtstaatlichen Organisationen, Kongreßabgeordneten, Senatoren und auch mit Kommissionen des US-Kongresses zu führen. Wir sind nicht nur dazu bereit, anzuklagen, sondern auch zu debattieren und unsere Ausführungen zu beweisen.

Vielen Dank.